300 Jahre im Wirken der Familie von Dücker in Rödinghausen

Die von Dückers in Menden sind das Paradebeispiel einer einflussreichen Familie im ehemaligen Herzogtum Westfalen. Dabei stand es zu Beginn des 17. Jahrhunderts gar nicht so gut um sie. Die Nebenlinie der Familie, aus der Hermann Dücker (1591-1670) stammte, hatte eine Pechsträhne: Durch nicht standesgemäße Heiraten hatte sie den Adelstitel eingebüßt, zudem verlor sie in Kriegswirren ihren Besitz. Das hieß: alles auf Anfang. Die relativ mittellose Familie zog nach Arnsberg, wo ihr spannender Aufstieg begann.


Arnsberg wurde sicher mit Bedacht gewählt, denn sie war zu Zeiten der kurkölnischen Herrschaft nicht irgendeine Stadt, sondern Residenz der Kölner Erzbischöfe im Herzogtum Westfalen. Eine Voraussetzung, welche die Dückers für sich zu nutzen wussten, denn Hermann Dücker machte in den Diensten des kölnischen Kurfürsten eine erstaunliche Karriere. Er begann als Sekretär des Landdrosten.

1624 wurde Hermann Dücker oberster Beamter für die Berg-, Hütten- und Hammerwerke im Herzogtum Westfalen. 1625 übernahm er zusätzlich die Position des kurfürstlichen Oberkellners und wurde damit zum obersten Finanzbeamten im Herzogtum. Nebenbei war er kurfürstlicher Rat, Droste des Amtes Menden und Landpfennigmeister. Keine schlechten Voraussetzungen, um gute Netzwerke zu knüpfen.

Und so bewies Hermann Dücker sein Geschick nicht nur beim beruflichen Aufstieg, sondern auch in der Vermehrung des Familienvermögens. 1627 baute er zum einen den Dückerschen Hof in Arnsberg, vergrößerte aber auch den Landbesitz um das Rittergut Obereimer nahe Arnsberg. Obereimer machte er quasi zur Traumimmobilie. Das wiederum weckte später die Begehrlichkeiten von Kurfürst Maximilian Heinrich von Bayern, ab 1650 Erzbischof und Kurfürst von Köln – und somit Dückers Chef.

Den Verkauf konnte Hermann Dücker seinem Kurfürsten schwer verweigern, und so ging das Rittergut 1652 in dessen Besitz über. Doch Dücker hatte längst vorgesorgt: Seine Vermählung mit der Witwe Anna Margaretha von Lürwald im Jahr 1638 brachte ihn in Besitz des Gutes Ober-Rödinghausen. Wieder kaufte er Ländereien sowie den Rittersitz Nieder-Rödinghausen hinzu, was sich als schlauer Schachzug bewies. Denn indem sie ihren Wohnsitz als Nieder-Rödinghausen bezeichneten, wohnten die Dückers praktisch wieder auf einem Rittergut. 


Wilhelm Lothar Bernhard, der Titelbeschaffer und Dietrich Gaudenz, der Bewahrer

In Summe konnte sich Hermann Dücker also weder über mangelnden Einfluss noch über mangelnden Wohlstand beklagen – die Liste der Güter soll bei seinem Tod 1670 20 eng beschriebene Seiten lang gewesen sein. Allein, es fehlte der Adelstitel. Um den kümmerten sich seine Söhne. Dietrich Gaudenz trat in die Fußstapfen des Vaters und wurde ebenfalls Oberkellner. Wilhelm Lothar Bernhard brachte es zum kurkölnischen Geheimen Rat und Gesandten von König Ludwig XIII. von Frankreich. Er nutzte seine Verbindungen, um den Adelsstand wiederherzustellen. Mehr noch: Durch Adoption gelangte auch sein Bruder Dietrich Gaudenz zu dem Titel von Dücker. Jener führte auch den Rödinghauser Fideikommiss ein, eine Art Stiftung, um das familiäre Vermögen im Ganzen zu erhalten. Es wurde in den folgenden Generationen von jeweils einem Nachfahren verwaltet.  



Bernhard Adolf, der Fuchs

Der erste dieser Nachfahren war sein Sohn, Bernhard Adolf von Dücker (1671-1738). Er erwies sich als echter Tausendsassa, was die Weiterentwicklung der unternehmerischen Aktivitäten betraf. Zum einen blieb er der Familientradition treu und wurde der letzte Oberkellner der Familie im Herzogtum Westfalen. Auf den Ländereien weitete er die landwirtschaftlichen Aktivitäten durch den Bau einer Sägemühle und einer Kornmühle aus, die beide mit Wasserkraft betrieben wurden. Daneben ging er völlig neue Wege durch den Bau einer Drahtrolle.

Dazu muss man wissen, dass tatsächlich die Grafschaft Mark und insbesondere die Region Altena das Monopol auf die Drahtzieherei hatten. Drahtzieher mussten dort einen Zunftschwur leisten, die Verfahren zur Drahtherstellung nicht zu verraten. Schwer zu sagen, was Bernhard Adolf dem Drahtzieher Johann Hermann Bomnüter aus Altena anbot. Es muss sehr überzeugend gewesen sein, denn Bomnüter wurde auf kurkölnischem Gebiet für ihn tätig und weihte ihn in die Geheimnisse des Drahtziehens ein. 

Ein klarer Fall von Industriespionage – der für Bomnüter nicht ohne Folgen bleiben sollte. Von Dücker hatte allerdings übersehen, dass sich nicht jedes Eisen zu Draht ziehen lässt, sondern nur der geschmeidige Osemund. Dieses Geheimnis und wie man Osemund herstellte, kannten wiederum nur die Schmiede aus Altena und Lüdenscheid. Bomnüter allein reichte also nicht. Und Bernhard Adolfs Trick, Mitteldraht aus der Grafschaft Mark einzuführen und weiterzuverarbeiten, durchschauten die Märker schnell.

Sie unterbanden die Ausfuhr. Bomnüter  blieb zunächst unbehelligt. Doch nachdem Bernhard Adolf 1725 für 30 Jahre das Privileg zur Drahtrollenproduktion im Kurkölnischen erhalten hatte, rückten Märkische Truppen an. Sie zerstörten die Drahtrolle und auch für Bomnüter ging die Geschichte nicht gut aus: Die Märker nahmen ihn gefangen und brachten ihn nach Altena, wo er in Festungshaft verstarb.


Johann Henrich, Gründer der Eisenhütten und -hämmer

Nach Bernhard Adolfs Tod 1738 wurde sein jüngerer Bruder Johann Heinrich (1683-1749) Fideikommissherr auf Rödinghausen. Er begann 1744 – zunächst ohne Genehmigung – mit dem Aufbau der Rödinghauser Hammerwerke und Eisenhütte. Zu jener Zeit wurde die Eisenproduktion üblicherweise in einem Unternehmen gebündelt. Und so verfügten auch die von Dückers über mehrere kleine Bergwerke zur Eisenerzförderung sowie eine Eisenhütte und die erforderlichen Hämmer. Damit war Johann Henrich einer der Vorreiter im Adel, denn üblicherweise konzentrierte der sich eher auf Müßiggang oder allenfalls forst- und landwirtschaftliche Geschäfte.


Maximilian Theodor, der Pechvogel

Doch die von Dückers blieben auch weiterhin im Eisengeschäft. Maximilian Theodor (1723-1798) übernahm den Platz seines Vaters nach dessen Tod 1749 und führte die Geschäfte fort. Anfangs verpachtete er an Iserlohner Kaufleute, wollte den Vertrag dann rückgängig machen. Doch erst 1759 konnte er den Betrieb in Eigenregie übernehmen und expandierte. Er bezog Eisenerz auch aus der benachbarten Grafschaft Mark. Mit viel Verhandlungsgeschick beteiligte er sich außerdem an der Eisenhütte im märkischen Sundwig und konnte so die neuen Pächter der Hammerwerke kontinuierlich mit ausreichend Eisen beliefern. Dieses Geschäft lief gut und so begann Maximilian Theodor von Dücker, sich weitere Eisenvorkommen zu sichern. 

Scheinbar versuchte Maximilian Theodor mit allen Mitteln, die Vorkommen der eigenen Eisenerzminen optimal zu erschließen, doch das Unternehmen scheiterte – auch weil er dem falschen Fachmann vertraute. Maximilian Theodor investierte zu viel in unergiebige Stollen und geriet ab 1770 in Zahlungsschwierigkeiten. Zeitweise musste er bei einem Gläubiger den gesamten Familienbesitz als Sicherheit hinterlegen. Dennoch war er schnell wieder auf einem guten Weg, seine Schulden zu begleichen. 



Dann allerdings änderten sich die Bedingungen: In der Grafschaft Mark wurde ab 1771 die Ausfuhr von Eisenerzen verboten. Dies betraf insbesondere die Eisenerzlieferungen aus Sundwig und aus Dahle. Die Rödinghauser Eisenfabrique ließ sich bald nur noch als Zuschussunternehmen betreiben. Da er bereits mit dem Rücken zur Wand stand, suchte Maximilian Theodor nach einer Lösung, um den Konkurs des Unternehmens abzuwenden. Dank Fürsprache des Kurfürsten gelang es ihm, die Rödinghauser Eisenfabrique unter die Verwaltung des Bergamtes zu bringen. 

Dennoch rissen die Probleme nicht ab, auch wegen Streitigkeiten mit dem Pächter, der zu allem Überfluss gegen von Dücker intrigierte. Letztlich führte dies dazu, dass Maximilian Theodor die Hütte 1775 stilllegte und sie somit dem Bergamt entzog. Die Rödinghauser Hämmer blieben verpachtet. Trotz seiner Schwierigkeiten gelang es ihm im gleichen Jahr, die Genehmigung für eine neue Schmelzhütte auf der märkischen Seite der Hönne zu erhalten und die Mittel aufzubringen, sie zu eröffnen – auf Pump allerdings.


Caspar Ignaz, Sanierer und Bauherr

Erst 1786, als bereits sein Sohn Caspar Ignaz von Dücker (1759-1839) die Geschäfte übernommen hatte, schaltete sich das Bergamt wieder ein. Caspar Ignaz gelang es – auch durch Einbindung des Kurfürsten – die Verwaltung durch das Bergamt zu beenden. Der Pächter der Rödinghauser Hämmer geriet dann selbst in finanzielle Schwierigkeiten. Er trat seine Pacht nach und nach an den Altenaer Bürgermeister und den Freiherrn von Landsberg aus Wocklum ab. Diese hatten zwar gute Voraussetzungen, gemeinsam erfolgreich zu sein, doch die wirtschaftliche Lage verschlechterte sich während des Ersten Koalitionskriegs zwischen Frankreich und Preußen/Österreich (1792-1797). 



Caspar Ignaz packte die Gelegenheit beim Schopf und kaufte 1795 die Ländereien und die Rödinghauser Eisenfabrique zurück. Nachdem er in jungen Jahren in England die neuen Industrieverfahren studiert hatte, brachte er seine Erfahrungen in das Familienunternehmen ein. 1797 wurde auch das Gut Rödinghausen an ihn zurückübertragen. Innerhalb weniger Jahre beglich er alle Darlehen, die er für die Rückkäufe aufgenommen hatte, sowie die Schulden seines Vaters. 1807 stand fest, dass alle Verbindlichkeiten abgegolten waren. 

Sogleich begann Caspar Ignaz in Nieder-Rödinghausen mit dem Bau eines neuen, repräsentativen Herrenhauses im klassizistischen Stil. Hinter den Haus ließ er bis zur Hönne einen englischen Landschaftsgarten anlegen. Die Rödinghauser Eisenfabrique führte er mit ausgeglichenem Erfolg weiter. Andere Beteiligungen wie die am Heller und Dahler Bergwerk und an der Sundwiger Hütte verkaufte er an den Freiherrn von Landsberg in Wocklum: Die von Dückers wollten sich künftig in der Rödinghauser Eisenfabrique nur noch auf die Weiterverarbeitung des Roheisens konzentrieren.  



Theodor, der letzte Unternehmer

1819 übernahm Sohn Theodor von Dücker (1791-1866) den Familienbetrieb. Hatten die Hütten bis dahin immer mit Holzkohle aus eigenen Wäldern gearbeitet, führte Theodor 1823 in Rödinghausen erstmals das auf Steinkohleverfeuerung basierende Puddelverfahren aus England ein. Damit läutete er in Rödinghausen und der ganzen Region die Industrialisierung ein. Wenig später baute er zudem das zweite Eisenblech-Walzwerk Westfalens auf.  

Noch unter Theodor zog sich die Familie 1850 aus den Industrieunternehmen zurück. Einzelne Industrieanlagen wurden verpachtet, Grundstücke verkauft. 

Er war bis 1955 in Betrieb, zuletzt als Schmiede, und ist heute ein technisches Kulturdenkmal, das zu besonderen Veranstaltungen öffnet. Das Gut Rödinghausen blieb bis Anfang der 1980er Jahre im Besitz der Familie.

Ein Schleifwerk, das Theodor zwischen dem Alten Hammer in Oberrödinghausen und dem Gut Rödinghausen betrieb, wurde zum Beispiel zu einer Strohpapierfabrik umgebaut. Die Hämmer pachtete ab 1880 ein Hemeraner Unternehmer. Der alte Oberrödinghauser Hammer lag und liegt auf dem Gelände, das die damalige Rheinisch-Westfälische Kalkwerke AG (heute Lhoist Germany Rheinkalk GmbH) 1927 von der Familie von Dücker kaufte.

Der letzte prominente Bewohner von Gut Rödinghausen war übrigens der Bauunternehmer Heinz Weifenbach (1939-2015), der als Vorsitzender des Eishockeyclubs ECD Iserlohn Furore machte. In den 1990er Jahren erwarb er Gut Rödinghausen und baute um: Den Kaminsaal stattete er mit Stuckleisten und Seidentapete aus, im Bad darüber installierte er einen großen Whirlpool – grenzwertig schwer für das hölzerne Gebälk. 



Nach seinem Tod wurde das Gut Rödinghausen vor wenigen Jahren im Auftrag der Stadt Menden umfassend renoviert und steht jetzt unter Denkmalschutz.
Heute dient Gut Rödinghausen als Veranstaltungsort und beherbergt seit 2019 das Industriemuseum Menden.


Du möchtest die Welt der von Dückers näher kennenlernen?

Dann legen wir dir einen Besuch des Guts Rödinghausen dringend ans Herz. Durch die ebenso fachgerechte wie liebevolle Restaurierung strahlt das wertvolle Architekturdenkmal heute wie zu Zeiten Caspar Ignaz von Dückers. Im Südflügel des Erdgeschosses sind die ursprünglichen Räumlichkeiten wiederhergestellt, darunter der Kaminsaal mit seinem stattlichen Wappen der von Dückers. Ein wunderschönen Saal, in dem du sogar heiraten kannst. Der Nordflügel mit niedrigeren Räumen wird heute für Ausstellungen genutzt. Sie werfen besondere Blicke in die jüngere Vergangenheit oder zeigen zeitgenössische Kunst. 

Im weitläufigen Obergeschoss erwartet dich das Industriemuseum Menden. Es wirft zum einen Schlaglichter auf die Geschichte der Industriellenfamilie von Dücker – im Theatrum Dückeri besonders unterhaltsam. Zum anderen zeigt sie die auch durch die von Dückers vorangetriebene Geschichte Mendens und seiner Region. Sehr spannend ist auch das, was dir die Zeitzeugen in der Galerie der sprechenden Porträts von erzählen. Lass dir aber auch auf keinen Fall den wunderschönen Landschaftspark hinter dem Haus entgehen. Viele der Bäume stehen hier seit mehr als 200 Jahren und könnten sicherlich ganz eigene Geschichten erzählen. 

Übrigens ist auf Gut Rödinghausen bis zum 29. Januar 2023 auch eine Jubiläumsausstellung zum 225. Geburtstag und 175. Todestag von Annette von Droste-Hülshoff zu sehen: Sie war eine Verwandten der von Dückers.

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Franz-Fritz von Dücker (1827-1892) – Erfinder der Drahtseilbahn

Obwohl die von Dückers nicht mehr als Unternehmer in Erscheinung traten, blieb zumindest ein von Dücker der Eisen- und Bergbaubranche treu. Franz-Fritz von Dücker, 1827 als Sohn von Theodor in Rödinghausen geboren, studierte Bergbau und wurde nach weiten Reisen und vielseitigen Tätigkeiten als Oberbergamtsreferendar 1873 Oberbergrat.

Er machte mehrere Erfindungen, zum Beispiel eine Methode zur Herstellung von Schwefelsäure. 1861 erfand er das Prinzip der Drahtseilbahn mit getrenntem Trag- und Zugseil und wendete es in Bad Oeynhausen erstmals an, ohne es jedoch patentieren zu lassen. Obwohl sich seine Seilbahnen nicht sofort durchsetzten, war es sein Prinzip, das rund 10 Jahre später weltweit genutzt wurde. 


Du möchtest mehr über Mendens Geschichte erfahren?

Wenn du auf den Geschmack gekommen bist und mehr über die Industriegeschichte in Rödinghausen und Menden erfahren möchtest, haben wir hier noch Tipps für dich:


Literatur

E. Dössler (Hrsg.), Sauerländische Geschichtsquellen und Forschungen, Band V, Eisenhämmer und Hütten, Iserlohn, 1972

Katja Schlecking, Adelige Unternehmer im geistlichen Staat, in: Westfalen in der Vormoderne, Studien zur mittelalterlichen und vorneuzeitlichen Landesgeschichte, Band 6, Münster, 2010

Franz M. Feldhaus, Zur Geschichte der Drahtseilschwebebahnen, in: Monographien zur Geschichte der Technik, Heft 1, Berlin, 1911

Weiher, Sigfrid von, "Dücker, Franz-Fritz von" in: Neue Deutsche Biographie 4 (1959), S. 156 [Online-Version]
https://www.deutsche-biographie.de/pnd116235098.html#ndbcontent 

 

Text: Sabine Schlüter - Die flotte Feder

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